Cannacyra – Praxis für Cannabistherapie
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Praxis für Cannabistherapie


Blog-Beitrag:

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Neue und alternative Anwendungen von Cannabis in der Therapie

Einleitung:

Cannabis hat sich in den letzten Jahren von einer vorwiegend freizeitlich genutzten Substanz zu einer ernstzunehmenden therapeutischen Option entwickelt. Medizinisches Cannabis und seine Inhaltsstoffe (v.a. Cannabinoide wie THC und CBD) werden heute nicht nur bei bekannten Indikationen wie chronischen Schmerzen oder Übelkeit eingesetzt, sondern auch in innovativen Ansätzen erforscht. Dieser Bericht beleuchtet neue und alternative Anwendungen von Cannabis in der Therapie – von aktuellen medizinischen Erkenntnissen über experimentelle Forschungsansätze bis hin zu modernen Applikationsmethoden (etwa Nanotechnologie und synthetische Cannabinoide). Ebenso werden neue Zielgruppen und Erkrankungen diskutiert, für die Cannabis potenziell von Nutzen sein könnte, untermauert durch aktuelle Studienergebnisse und Expertenmeinungen.

 Etablierte medizinische Anwendungen von Cannabis

In einigen Bereichen der Medizin ist der therapeutische Nutzen von Cannabis bereits gut etabliert. Eine umfassende Übersichtsarbeit (2023) kommt zu dem Schluss, dass cannabisbasierte Arzneimittel wirksam sind bei Patienten mit Multipler Sklerose (z. B. Linderung von Spastik), chronischen Schmerzen, entzündlichen Darmerkrankungen (wie Morbus Crohn) sowie in der Palliativmedizin. Ebenso zeigen Studien, dass Cannabis bzw. Cannabinoide Krampfanfälle bei bestimmten Formen von Epilepsie reduzieren können. Ein Beispiel ist CBD (Cannabidiol), das in Form eines reinen CBD-Arzneimittels zur Behandlung seltener kindlicher Epilepsieformen zugelassen wurde. Auch synthetische Cannabinoide finden seit Jahrzehnten Einsatz: So sind Dronabinol und Nabilon – künstliche THC-Varianten – als Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen unter Chemotherapie sowie zur Appetitsteigerung bei AIDS-Patienten im Gewichtsverlust zugelassen.

Darüber hinaus wird medizinisches Cannabis in vielen Ländern zur Symptomlinderung bei weiteren Erkrankungen verschrieben. Patienten mit chronischen Schmerzen (etwa bei Arthritis oder Rückenschmerzen) berichten von einer Reduktion ihrer Schmerzsymptomatik unter Cannabis. In der Krebstherapie dient Cannabis häufig der Linderung von Übelkeit, Schmerzen und Appetitlosigkeit. Die erwähnte Übersichtsarbeit zeigt zum Beispiel, dass cannabishaltige Mittel bei Krebspatienten die Schlafqualität verbessern können. Wichtig ist jedoch anzumerken, dass der Nutzen oft gegen Nebenwirkungen abgewogen werden muss – zu den häufigen unerwünschten Wirkungen zählen Müdigkeit, Schwindel oder psychische Effekte.

 Alternative und experimentelle Anwendungsgebiete:

Neben den etablierten Indikationen erforscht die Wissenschaft zunehmend neue potenzielle Anwendungen von Cannabis – teils noch experimentell, teils bereits in der klinischen Erprobung. Auch in der alternativen Medizin und Selbstmedikation greifen Patienten zu Cannabis, wenn konventionelle Therapien versagen. Im Folgenden einige innovative Anwendungsgebiete und Zielgruppen, die derzeit im Fokus stehen:

 Neurodegenerative Erkrankungen

Erste Untersuchungen deuten an, dass Cannabinoide bei Alzheimer und Parkinson von Nutzen sein könnten. Eine aktuelle Studie zeigte, dass Cannabinol (CBN) Nervenzellen vor oxidativem Stress schützt – einem Prozess, der mit Alzheimer in Verbindung steht. Dies ist bemerkenswert, weil sich frühere Cannabis-Forschung vor allem auf THC und CBD konzentrierte, während CBN nun als potenziell neuroprotektiver Wirkstoff betrachtet wird.

 Autoimmun- und Entzündungserkrankungen

Die entzündungshemmenden Eigenschaften von Cannabinoiden eröffnen Möglichkeiten bei Krankheiten wie rheumatoider Arthritis, Lupus oder Multipler Sklerose. Tatsächlich deuten neuere Arbeiten an, dass Cannabinoide in der MS nicht nur Symptome lindern, sondern möglicherweise auch krankheitsmodifizierend wirken können. Ein synthetischer Cannabinoid-Wirkstoff namens Lenabasum (Ajuleminsäure) wird zum Beispiel gezielt als CB2-Rezeptor-Agonist entwickelt, um Entzündungen ohne psychoaktive Nebenwirkungen zu behandeln.

 Psychische Störungen (Angst, PTSD)

Die Anwendung von Cannabis bei psychischen Erkrankungen wird kontrovers diskutiert. Zwar warnen Experten vor Konsum in jungen Jahren oder bei Psychosegefährdung, jedoch laufen zugleich Studien zu potenziellen Vorteilen in spezifischen Fällen. So wird PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) als Indikation erforscht, und auch bei Angststörungen berichten manche Patienten von anxiolytischen Effekten durch CBD, während THC dosisabhängig Angst verstärken kann.

 Suchttherapie und Schmerzmittel-Ersatz

Ein ungewöhnlicher, aber vielversprechender Ansatz ist der Einsatz von Cannabis zur Reduktion von Opioiden und bei Suchterkrankungen. Angesichts der Opioidkrise suchen Ärzte nach Alternativen zur Schmerzbehandlung; hier wird Cannabis als opioidsparend diskutiert. Erste Beobachtungsstudien legen nahe, dass Patienten mit medizinischem Cannabis ihren Opioidbedarf senken können. Zudem wird CBD erforscht, um Suchtdruck bei Abhängigkeit zu mindern.

 Gynäkologische Beschwerden und Frauengesundheit

Ein neues Feld sind Cannabis-Therapien in der Frauenheilkunde, zum Beispiel bei Menstruationsschmerzen, PMS oder Endometriose. Viele Betroffene berichten bereits von schmerzlindernden Effekten. Pharmazeutische Innovationen ermöglichen nun gezielte Anwendungen: So wurden spezielle Cannabis-Rezeptur-Sets vorgestellt, mit denen Apotheken unter anderem vaginale Zäpfchen mit Cannabisextrakten herstellen können. Diese Darreichungsform bietet eine lokale Alternative zur oralen Einnahme und könnte neue Therapiegebiete erschließen.

 Fibromyalgie und therapieresistente Schmerzen

In der alternativen Schmerztherapie nutzen Patientengruppen Cannabis oft eigeninitiativ, wenn herkömmliche Mittel versagen. Fibromyalgie ist ein Beispiel: Klinische Studien weisen darauf hin, dass eine Cannabis-Therapie bei Frauen mit therapieresistenter Fibromyalgie spürbare Verbesserungen der Lebensqualität erbringen kann – insbesondere hinsichtlich Schmerzreduktion, Schlafqualität sowie psychischer und physischer Verfassung.

Moderne Applikationsmethoden für Cannabis:

Mit der Ausweitung der Anwendungsgebiete gehen auch Innovationen in der Darreichung und Wirkstoffentwicklung einher. Traditionelle Konsumformen (Rauchen, orale Tropfen) werden durch moderne Methoden ergänzt, um Wirksamkeit, Sicherheit und Patientenkomfort zu verbessern. 

Im Folgenden einige der fortschrittlichsten Ansätze:

 1. Nanotechnologie zur verbesserten Wirkstoffabgabe

Die Nanomedizin eröffnet neue Möglichkeiten, Cannabiswirkstoffe gezielt und effizient im Körper bereitzustellen. Cannabinoide wie CBD und THC sind lipophile Substanzen mit teils begrenzter Bioverfügbarkeit. Nano-technologische Formulierungen – etwa Nanoemulsionen, Liposomen oder polymerbasierte Nanopartikel – steigern Löslichkeit und Aufnahme deutlich. Auf diese Weise könnte mit geringeren Dosen ein besserer Effekt erzielt werden. Besonders bei Krankheiten, die eine präzise Wirkstoff-Zustellung erfordern (z. B. Tumoren oder entzündliche Herde), bieten Nanopartikel ein vielversprechendes Tool.

 2. Synthetische Cannabinoide und Derivate

Ein weiterer innovativer Ansatz ist die Entwicklung synthetischer Cannabinoide, die gezielt bestimmte Rezeptoren ansteuern oder verbesserte pharmakologische Eigenschaften besitzen. Moderne Forschung entwirft Moleküle, die selektiv (z. B. nur am CB2-Rezeptor) wirken und so entzündungshemmende bzw. schmerzlindernde Effekte ohne psychoaktive Nebenwirkungen auslösen können. Lenabasum (Ajuleminsäure) verkörpert diesen Ansatz. Auch allosterische Modulatoren des Endocannabinoid-Systems werden erforscht, um nur bestimmte Signalkaskaden auszulösen und so Nebenwirkungen zu minimieren.

 3. Neue Darreichungsformen und Applikationswege:

  • Nasensprays: Cannabis-haltige Nasensprays ermöglichen einen schnellen Wirkeintritt über die Nasenschleimhaut und sind diskret im Alltag anwendbar.
  • Vaginal- und Rektalzäpfchen: Diese Form eignet sich für Patienten, die nicht oral einnehmen oder inhalieren können, bzw. für eine lokale Wirkung (z. B. in der Frauenheilkunde oder Palliativmedizin).
  • Transdermale Pflaster und topische Cremes: Pflaster geben Cannabinoide gleichmäßig über mehrere Stunden ab und können bei diversen Schmerz- und Hauterkrankungen interessant sein. Topische Cannabis-Präparate werden bereits von vielen Patienten eingesetzt, etwa bei Arthritis-Schmerzen.
  • Inhalative Medizinprodukte: Präzise dosierte Vaporizer oder Cannabis-Inhalatoren erlauben eine kontrollierte Wirkstoffaufnahme – für viele Patienten eine willkommene Alternative zum Rauchen.
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Diese neuen Applikationsmethoden erhöhen nicht nur den Komfort, sondern erschließen auch Patientengruppen, denen bisher keine geeignete Cannabis-Therapie zur Verfügung stand.

 Fazit und Ausblick

Die Verwendung von Cannabis in Behandlung und Therapie hat sich in kurzer Zeit rasant weiterentwickelt. Neben den gut belegten Anwendungen – von Schmerztherapie bis Spastik – entstehen ständig neue Ansätze, die das Spektrum erweitern. Moderne Forschung entdeckt bislang wenig beachtete Cannabinoide (wie CBN, CBG oder THCV) mit spezifischen Wirkprofilen, entwickelt maßgeschneiderte Wirkstoffe im Labor und verbessert die Darreichung durch High-Tech-Methoden. Gleichzeitig öffnen sich neue Indikationsgebiete in Bereichen, die früher nicht mit Cannabis in Verbindung gebracht wurden (z. B. Autoimmunerkrankungen, neurodegenerative Leiden oder Suchtbehandlung).

Experten sehen hierin eine Chance, betonen aber zugleich die Notwendigkeit weiterer Forschung, da viele der innovativen Einsatzgebiete bislang nur in kleineren Studien oder Laborversuchen untersucht wurden. Erste Resultate, etwa das selektive Abtöten von Krebszellen durch speziell gezüchtete Cannabissorten, stimmen zwar hoffnungsvoll, doch größere klinische Studien sind unerlässlich, um Nutzen und Risiken objektiv zu bewerten.

Insgesamt zeichnet sich ab, dass Cannabis – medizinisch verantwortungsvoll genutzt – in Zukunft eine immer wichtigere Rolle in der Medizin spielen könnte. Kliniker, Pharmazeuten und Grundlagenforscher arbeiten interdisziplinär zusammen, um das Potenzial der Hanfpflanze und ihrer Derivate voll auszuschöpfen. Ob durch neue Medikamente, moderne Applikationsgeräte oder bahnbrechende Studienergebnisse – Cannabis entwickelt sich rasant zu einem seriösen Baustein in der modernen Therapie.


Autor: Janine Kirchgäßner